Vier Maueropfer im Hohen Neuendorfer Grenzgebiet

Mauer mit Grenzturm

In der Nacht vom 2. auf den 3. Dezember 1964 wird im Norden von Berlin der Fluchtversuch von zwei jungen Männern mit Waffengewalt vereitelt. Es ist ein spontaner Fluchtversuch. Der 19-jährige Joachim Mehr wird erschossen, nachdem er im Grenzgebiet bereits hilflos in Stacheldraht verheddert liegt, aufgegeben hat und die Grenzsoldaten um Rettung bittet. Sein schwer verletzter Begleiter wird ins Hennigsdorfer Krankenhaus gebracht und überlebt. Der Grenzsoldat wird zu 18 Monaten auf Bewährung wegen Totschlags verurteilt.

Willi Born aus Velten leistete seinen Wehrdienst beim motorisierten Schützenregiment Oranienburg ab. Fast 20 Jahre alt ist er, als er im Juli 1970 mitsamt seines Maschinengewehrs aus der Kaserne flieht und über die Grenze will. Als er erkennt, dass seine Flucht entdeckt wurde und aussichtlos ist, erschießt er sich.

In den ersten Tagen des Jahres 1971 wendet sich der 19-jährige Rolf-Dieter Kabelitz nach heftigem Streit von seinem Elternhaus ab. Die Eltern sind SED-Mitglieder und kommen mit dem rebellischen Jugendlichen nicht mehr klar. Er fährt mit der S-Bahn von Berlin nach Oranienburg. Warum er zu Fuß bei dichter Schneedecke in der Nähe der Bahngleise in Bergfelde unterwegs ist, als er an den Grenzanlagen Alarm auslöst, kann nie geklärt werden. Als er mit Fährtenhunden gejagt und gestellt wird, läuft er von der Grenze weg und versichert, nicht fliehen zu wollen, sondern sich verlaufen zu haben. Er wird dennoch schwer angeschossen und erliegt im Hennigsdorfer Krankenhaus nach 23 Tagen einer Lungenentzündung.

Ein viertes Opfer starb an der Florastraße. Marienetta Jirkowsky, mit deren Schicksal sich die Stadt Hohen Neuendorf bisher am meisten beschäftigt hat. Die 18-Jährige floh ebenso wie die anderen wahrscheinlich viel weniger "weg von" als "hin zu" der Verheißung eines Lebens in Selbstbestimmtheit, Freiheit und Selbstverwirklichung, wie es der Westen versprach. Sie wurde von einem Querschläger getroffen, ihre beiden Begleiter schafften die Flucht über die Mauer.

Mehrere Hundert Menschen, davon 140 rund um Berlin, verloren an der innerdeutschen Grenze ihr Leben.

Foto © Franz Noerling